Problemspieler

Einen Mitspieler als Problemspieler zu bezeichnen, halte ich für eine problematische Wortwahl.
Dennoch weiß vermutlich jeder, was gemeint ist: Jemand, dessen Verhalten am Spieltisch andere stört.

Als ich die Idee für diesen Artikel hatte, war mir eigentlich klar, worum es gehen sollte. Mir fällt es schwer, die Standardantworten auf den Umgang mit solchen Mitspielern umzusetzen. Ein Problem ansprechen, mit einer Konfrontation auf emotionaler Ebene, mit der ich nicht umgehen kann – das kann passieren. Und dafür gibt es keine einfachen Tipps. Wie geht man damit um? Es gibt Strategien aus dem Berufsleben oder allgemein aus anderen Lebensbereichen – aber genau darum geht’s: Ich will mein Hobby nicht professionalisieren.

Und je länger ich nachdachte, desto mehr Facetten bekam das Thema. Sind Problemspieler per se problematisch? Oder haben sie einfach nur nervige Charakterkonzepte? Ist es eine Phase, die vorübergeht? Oder ein Spielstil, der mir nicht liegt? Und wie wichtig sind diese Fragen überhaupt, wenn es um den eigenen gelungenen Spielabend geht?
Ich bleibe erstmal bei meiner ursprünglichen Fragestellung – ohne eine endgültige Antwort zu finden. Aber ich werde sicher in Zukunft öfter auf das Thema zurückkommen und einzelne Aspekte näher beleuchten. Vielleicht ändert sich meine Sichtweise, vielleicht ergänze ich etwas.


Das Problem

Dieses Thema betrifft nicht nur das Rollenspiel – es ist ein grundlegendes soziales Phänomen. Und genau darin liegt für mich ein echtes Problem: Wie sagt man jemandem, dass sein Verhalten stört?

Ich spreche hier vor allem über Online-Runden. Im Grunde macht es keinen Unterschied – Mensch bleibt Mensch. Aber meine Erfahrungen online und offline sind andere. Am Tisch habe ich mit Leuten gesessen, die ich seit Jahren kenne, mit denen ich auch abseits des Rollenspiels Zeit verbringe. Vielleicht habe ich insgesamt mit 15 bis 20 verschiedenen Personen physisch gespielt.
Online bin ich erst seit etwa drei Jahren aktiv – und in der Zeit waren es über hundert Mitspieler, viele davon nur ein- oder zweimal. Es gibt Ausnahmen, aber in der Masse empfinde ich zu vertrautes Verhalten online oft als irritierend. Für mich ist das ein gesunder Abstand, der erst nach einer gewissen Zeit schwindet – andere sehen das sicher anders.

Warum Kritik schwer sein kann

In vielen Rollenspielbüchern steht: Rollenspiel soll Spaß machen. Das unterschreibe ich sofort. Ebenso der Rat: Sprich Probleme direkt an. Auch das ist grundsätzlich richtig. In einer idealen Welt wäre Kritik ein sachlicher Hinweis, den der andere emotionslos bewertet und dann annimmt oder ablehnt. In der Realität wirkt Kritik für einige wie ein persönlicher Angriff. Dann ist es kein Gespräch unter Gleichgesinnten mehr, sondern eine Kollision verschiedener Auffassungen, wie ein Spielabend aussehen sollte.

Ich spiele, um dem Alltag zu entfliehen. Eskapismus, ganz platt gesagt. Nein, mein Alltag ist nicht schlimm – aber ich verbringe meine Freizeit gern mit etwas, das mir guttut. Andere backen Brot oder pflegen Bonsais – ich tauche in Geschichten ein. Auch das Vorbereiten, Organisieren, das Einrichten von VTTs oder Discord gehört für mich dazu. Aber der eigentliche Kern ist der Abend selbst.
Andere wiederum genießen einfach das gemeinsame Event – mit Rollenspiel, Pizza oder Filme ist dann zweitrangig. Das sind unterschiedliche Sichtweisen, die kollidieren können.

Gruppenkultur von Anfang an

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele Konflikte gar nicht erst entstehen, wenn man früh über Erwartungen spricht. Ein kurzes Gespräch über Spielstil, bevorzugte Inhalte oder die Dynamik am Tisch schafft oft schnell Klarheit. Gerade bei Online-One-Shots kann ein Vorgespräch Wunder wirken. Wer vorher weiß, worauf er sich einlässt, wird weniger enttäuscht. Es muss kein Workshop werden – aber zwei, drei klare Sätze zu Vorlieben und Grenzen helfen. Das kann auch schon vor der Runde in der Rundenankündigung oder einem Discord Channel besprochen werden.

Beispiel: Ich spiele eher immersiv und mag eine gewisse Ernsthaftigkeit

In Tischrunden passiert das oft automatisch. Online dagegen hilft es, diesen Moment bewusst einzubauen. Die sogenannte Session Zero ist kein Allheilmittel, aber ein guter Startpunkt.

Die Rolle der Spielleitung

Gerade online kann der Spielleiter mehr als nur Spielinhalte moderieren. Er kann auch den Rahmen setzen. Dazu gehört nicht, ein Erzieher zu sein – aber es ist legitim, an Absprachen zu erinnern oder klare Grenzen zu formulieren.

Beispiel: Wir hatten uns auf Schleier geeinigt – bitte beachtet das.

Was mir aufgefallen ist, ist, dass meine Selbstwahrnehmung manchmal vom System und der Gruppe abhängt. In erzählerischen Systemen und mit Gruppen, mit denen ich länger spiele, sehe ich mich eher als Mitspieler. In regellastigeren Spielen und mit neuen Mitspielern eher als Schiedsrichter. Die Übergänge sind fließend. Dinge anzusprechen fällt mir aber in der Rolle des Schiedsrichters leichter.

Kritik üben – leichter gesagt als getan

Wenn Kritik als Herabwürdigung verstanden wird, ist das nicht mein Fehler – aber es fühlt sich trotzdem schlecht an. Das Verhalten am Spieltisch anzusprechen, ist kein nüchternes Mitarbeitergespräch. Es geht um Menschen, mit denen man Zeit und emotionale Momente teilt. Vielleicht denke ich da zu viel nach. Die meisten kommen durchaus mit Kritik klar – aber je mehr Leute man kennenlernt, desto öfter trifft man auch auf Ausnahmen. Und nach all den Jahren im Hobby ist das noch immer ein Bereich, in dem ich unsicher bin.

Mein Umgang mit solchen Situationen

Habe ich ein paar One-Shots mit jemandem hinter mir, dessen Stil mir nicht liegt, lade ich ihn einfach nicht wieder ein oder meide künftige Runden. Wenn jemand in der Kampagne unzufrieden wirkt – also das Spiel selbst das Problem ist – suche ich das Gespräch. Erstmal durch ein einfaches Nachfragen, vielleicht am Ende der Sitzung oder im 1:1-Feedback.

Stellt sich heraus, dass es an der Gruppendynamik liegt oder andere sich ebenfalls gestört fühlen, wird es unangenehmer. Dann versuche ich:

Das Problem so konkret wie möglich zu benennen
Nicht: Deine Witze stören mich. – sondern: Deine Metawitze reißen mich raus. Ingame-Humor ist aber völlig okay.

Lösungen vorschlagen
Nicht: Deine Hintergrundgeräusche nerven. – sondern: Bitte nutze Push-to-Talk.

Wichtig finde ich: Alles ansprechen. Nach dem Gespräch sollte nichts übrigbleiben, das weiter stört. Sonst bleibt etwas hängen, gärt und wird später zum nächsten Problem.

Alle-gegen-einen-Situationen vermeiden
Manchmal hilft ein Gruppengespräch, manchmal braucht es Moderation. Wenn gar niemand mehr neutral ist, hat die Gruppe wahrscheinlich ohnehin keine Zukunft.

Selbstfürsorge ist auch Teil des Hobbys
Wir reißen uns im Job zusammen und arbeiten auch mit Menschen, die wir nicht mögen. In der Freizeit müssen wir das nicht. Es gibt keine Pflicht, sich durch jede Runde zu quälen. Man darf einfach gehen. Das ist keine Flucht – sondern Klarheit.

Beispiel: Ich merke, dass mir unser Spielstil nicht guttut – ich ziehe mich deshalb zurück. Euch weiterhin viel Spaß.

Das ist weder unhöflich noch undankbar – sondern ehrlich.

Punkte, die für mich grundsätzlich nicht gehen

  • merklicher und regelmäßiger Alkohol- oder Drogenkonsum
  • wiederholtes Überschreiten von Grenzen und Schleiern
  • permanentes Abschweifen auf Metaebene und Realwelt

Reflexion und Vorsätze

Wie gehe ich damit um, ein Problem anzusprechen? Indem ich es aufschreibe. Das hilft. Vielleicht setze ich nicht alles hier genanntes um, aber ich versuche es – weil es sich vernünftig anfühlt. Vielleicht ergänze ich mit der Zeit noch etwas oder ändere meine Meinung. Ich hoffe aber, dass ich keine Routine darin entwickle.

Ich werde künftig nach einer Nacht Bedenkzeit die Punkte sammeln, die mich stören – und sie im Gespräch ehrlich ansprechen. Nur so kann mein Gegenüber verstehen, warum mir etwas den Spaß nimmt. Ich versuche, auch Lösungen anzubieten. Wenn die Erwartungen zu verschieden sind, bleibt vielleicht nur, getrennte Wege zu gehen – im Idealfall im Guten.

Kein Erziehungsauftrag

Manchmal lese ich Artikel mit dem Titel Wie gehe ich mit Problemspielern um? – und darin klingt es fast nach Erziehungstipps. Davon halte ich nichts. Mitspieler sind keine sozialen Experimente. Erwachsene Menschen erziehen zu wollen, ist anmaßend und arrogant.

Am Ende bleibt die einfache Regel des Anstands:
fair bleiben, sachlich bleiben, ehrlich sein.

Einer der größten Fehler ist wohl, es allen recht machen zu wollen. Das funktioniert nicht – und am Ende steht man ohne Gruppe da.

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